Die Geschichte der Zivilsation ist eine Geschichte der eskalierenden Identitätskrise. Alle materiellen Errungenschaften hatten und haben einen fürchterlichen Preis: Wir halten uns selbst kaum mehr aus. Alles ist nach außen projiziert, im Inneren herrscht Verzweiflung.

Wir können leben, wir können das Leben besser bezahlen als früher, aber den psychischen Preis nur noch mit Psychopharmaka. Es ist, als ob unsere materiellen Vorräte die Existenzangst nur multipliziert hätten. Was, wenn sie verloren gehen? Was bleibt dann – außer dem der totalen Ungewissheit ausgelieferten Ich? Kann es, kann ICH! dann überhaupt sein? Wie soll das geschehen? So fragte Maria den Erzengel über die Vaterschaft Gottes ihres Kindes, das wieder Gott werden sollte.

Wir sind dieses Kind. Und rund um uns sind Milliarden Kinder, sie spielen Erwachsene, sie spielen Eltern, sie spielen Menschen, sie spielen Leben, sie spielen Sterben. War jemals ein Zustand der Nicht-Angst? Ist uns die Angst nicht an-und eingeboren schon im Mutterleib? Sind wir Gott der Angst?

Wie ein Traum, der umso rascher verschwindet, je genauer man sich an ihn erinnern will, muss da ein Zustand gewesen sein, in dem wir keine Angst hatten. Denn nichts kann ohne sein Gegenteil sein. Es war das Kind. Es war das Kind, das jetzt das Kind in uns geworden ist, es ist nicht tot, nur verwandelt in ein Jetzt.

Wir alle sind ewige Kinder. Angst ? Oh ja, aber als Herrscherin hat sie sich noch nicht etabliert. Erinnern wir uns daran. Erinnern wir uns, wer uns Angst gelehrt hat. Die Eltern, die Lehrer, die Realität des Untertanen, der nur Untertanen zulässt. Aber auch sie waren und sind Kinder, gleichaltrige Kinder im Jetzt.

Ursula Pühringer holt sie als solche zurück auf die Leinwand, blass und vergänglich wie Träume, umso beharrlicher in ihrer Forderung, erkannt zu werden. Wir alle sind gemeinsam die spielende Kinderfamilie. Wir werden niemals wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wir sind aus einem träumenden Nichts gemacht, das nur vergehen kann, aber das dafür auf ewig.

Wolfgang Rosar