Eines Tages wachte ich mit dem dringenden Bedürfnis auf, meine Halbschwester, meine Großmutter und meine Mutter nebeneinander sehen zu können, und zwar gleichaltrig als junge Mädchen. Meine Halbschwester war 25 Jahre älter als ich, meine Großmutter habe ich nie gekannt, und das einzige was die drei miteinander verband, war ihre ferne Nachfahrin – ich. Alle waren sie schon lange tot.
Auf einem alten Kinderfoto von mir stehe ich neben meiner Mutter und halte ihre Hand. Meine Mutter ist meine Mutter ist meine Mutter. Mein atavistisches Kinder – Ich hält sie in dieser Funktion gefangen wie in einer stummen Burg, aus der kein Laut mehr dringt. Wie traurig, sie war doch noch soviel anderes, ein junges Mädchen mit Sehnsüchten, mit einem klaren neugierigen Forschergeist – hätte ich nicht gerne einmal mit ihr auf Augenhöhe gesprochen? Wie wäre es gewesen, wenn wir als Schwestern aufgewachsen wären? Gibt es denn nicht noch ein anderes Ich, das alt UND jung ist, in jede beliebige Phase seines Lebens wieder eintauchen kann, jederzeit und immer wieder, wenigstens theoretisch? Und wie wäre das vorstellbar?
Für ein Familienportrait pause ich Silhouetten von verschiedenen Fotos ab.
Denn nur die Augenblicke zählen, die wirklich einmal waren: als einmal zum Beispiel mein Vater auf eine gewisse Weise stand, und ein anderes Mal seine Tochter ihren Arm genau soundso hielt, und wieder ein anderes Mal die Silhouette seiner Mutter nur so und nicht anders war, damals vor 150 Jahren, als sie ihren Kopf jemandem zuneigte, für alle Ewigkeit auf dieser Fotografie.
Der Wunsch nach einem Portrait entspringt nicht unbedingt der Eitelkeit, sondern auch dem nagenden Unbehagen eines inneren Gespenstes: Bin ich wirklich? Was soviel heißt wie: bin ich so sichtbar wie die anderen? Und wie sieht eine Welt aus, in der ich mit diesen anderen gesehen werden kann?
Denn je älter ich werde, desto randvoller wird der Speicher mit Bildern und Szenen, in denen ich nicht zu sehen bin. Meine Kameraperspektive ist eine Täuschung, sie stellt mich grundsätzlich in den Mittelpunkt, während sie mich gleichzeitig vor mir verbirgt. Was für ein seltsamer Film das doch ist, dieser Film ohne mich!
Aber hier habe ich alle beisammen – Mutter, Schwester, mich. Jede in ihrem eigenen Moment treffen sie sich wieder, aus unterschiedlichen Zeiten kommend, aber in einem gemeinsamen Raum. Als Bilder sind sie endlich ruhig. Sie lügen nicht, indem sie sprechen, sie irritieren nicht, weil sie sich bewegen, und verschwinden nicht, kaum dass sie auftauchen. Mir persönlich ist das angenehm. Ob es nun abstrakte Blumen oder weiße Gorillas sind, Stoffalten oder das Gesicht meiner Mutter – immer ist es so, dass mich die Sehnsucht packt etwas lange und gründlich anzuschauen, und ich es mir daher verschaffen muss. Ich bin Malerin, und ich male was ich sehen muss.
„1945 – 1889 – 1946 „ (111 x 59 cm Digital Print/ Leinwand, 2007)
Das erste Bild der Familienportraitserie: es zeigt die Halbschwester der Künstlerin (25 Jahre älter als sie), ihrer beider Großmutter (die sie nie kannte) und ihre Mutter. Wie würden diese drei Frauen, die gemeinsam für sie nicht einmal vorstellbar waren, nebeneinander und gleichaltrig aussehen? Verwendet wurden ein Jugendbild der Halbschwester kurz nach dem 2.Weltkrieg: ihre Mutter ist vor einem Jahr gestorben. Sie hat schon Tuberkulose ohne es zu wissen. Ihr Vater wird in ein paar Monaten wieder heiraten. Ein Portraitfoto der Großmutteer aus den 80iger Jahren des 19.Jahrhunderts kurz vor ihrer Heirat. Sie galt als die stärkste Persönlichkeit in der Familie des Vaters. Ein Bild der Mutter, ebenfalls kurz nach dem Krieg aufgenommen, als jung verheiratete Frau, der Vater der Halbschwester sitzt links neben ihr. Das Kleid aber stammt von einem Jugendbild, ein schwarzes Samtkleid mit Spitzenkragen.
„Mein Vater und mein Mann mit 25“ – 1915 – 1981 (105 x 70 cm Digital Print/ Leinwand, 2007)
Vater und Schwiegersohn , als junge Männer von Anfang 20. Verwendet wurden ein Foto des Vaters aus dem Jahr 1915 während des 1.Weltkriegs, als junger k.u.k. Leutnant. Das Foto seines Schwiegersohnes ist von 1981 am alten jüdischen Friedhof in Wien: er sitzt auf der Einfassung eines Grabes, hinter ihm ein verwitterter Grabstein mit wild wuchernden Gebüsch und ist stoned. Auf dem gemeinsamen Bild sitzen sie nun auf der Treppe, die zu einem Ashram in Indien führt.
„1935 – 1980“ (100 x 60 cm Acryl/ Leinwand, 2007)
Mutter und Tochter, beide als junge Frauen. Für die Mutter wurde zunächst ein feierliches Portraitfoto von 1935 verwendet, auf dem sie ein schwarzes Samtkleid mit Spitzenkragen trägt. Es wurde kombiniert mit einem späteren Foto aus den 50iger Jahren. Dort steht sie auf einer Wiese im Sommer und hält ihre kleine Tochter an der Hand. Ein Foto der Tochter im Hof der Kunstakademie: sie trägt eine Jacke aus den 50iger Jahren, die von ihrer Mutter stammt. Der gemeinsame Raum ist wieder die Strandpromenade in Norditalien, aber das Wetter ist jetzt veränderlich.
1923 – 1957 (100 x 80 cm Acryl/ Leinwand, 2012)
Großmutter, Mutter und Tochter, Mutter und Tochter als Kinder. Auf dem Foto der Großmutter ist sie eine junge Frau Anfang zwanzig, und liegt im hohen Gras. Daneben ihre Tochter, etwa sechs Jahre alt und tief konzentriert, aber glücklich in der Gruppe der Badegäste –Familie und Freunde. Die Enkelin in der Mitte, ihre Tochter, ist noch ein Kleinkind, auf ihrem Foto steht sie allein am Meeresstrand. Die gemeinsame Szene istein Dorfbad in den Zwanziger Jahren.
„1933 – 1960 – 1962“ (92 x 78 cm Acryl/ Leinwand, 2012)
Ein Vater zwischen seinen beiden Söhnen. Das Foto des Vaters (1933) ist das einzige Kinderbild, das von ihm existiert. Er steht alleine auf einem Hang, Entschlossenheit im Blick. Auch der ältere Sohn ist alleine auf seinem Bild, mit sich zufrieden. Der jüngere Sohn hält auf seinem Foto die Hand des Vaters. Bildraum ist die gefasste Quelle im Heimatort. Das Bild entstand anlässlich des Todes des Vaters.
„1949 – 1982“ (Digital print/Papier, 2010)
Vater und Sohn, beide als junge Männer im Wald
„1934-1950-1978-1930-1978“ (90 x 65cm,Digital print/Papier, 2014)
Eine Familie: Vater ca. dreizehnjährig, davor die Mutter mit 14 Jahren, gegenüber ihrer jüngsten Tochter mit elf, die Rücken an Rücken mit dem Großvater steht, der damals in seinen Dreißigern war. Ganz vorne im Schlauchboot mit dem Rücken zur Fahrtrichtung die ältere Tochter.
„1950- 1932- 1932“ (Digital print/Papier, 2014)
Die weibliche Linie einer Familie. Rechts die Großmutter als junge Mutter mit ihrer kleinen Tochter in den Dreißiger Jahren in Texas. Links ihre Enkelin etwa dreijährig, ihre Mutter als zweijährige stützend.
„1938 – 1978“ (Digital print/Papier, 2010)
Mutter und Tochter beide im Alter von 7 Jahren
„1956 – 1915“ (80 x 60 cm Acryl/ Leinwand, 2007)
Vater und Tochter. Er ist um 40 Jahre verjüngt – so wie sie sich das als Kind gewünscht hatte. Verwendet wurde ein Jugendbild des Vaters aus dem Ersten Weltkrieg. Sein Hund sitzt vor ihm und gibt ihm die Pfote. Auf dem Kinderfoto seiner Tochter steht sie auf der Mauer an der Strandpromenade und schaut zu ihrer Mutter herunter.
„1896 – 1956 – 1922 „ (80 x 100 cm, Acryl/ Leinwand, 2008)
Vater und Mutter der Künstlerin, in der Mitte sie selbst, alle drei als Kinder von ungefähr 5 Jahren. Verwendet wurde das einzige Kinderfoto des Vaters aus dem Jahr 1896. Er stützt sich auf die Rücklehne eines Sessels, auf dem seine kleine Schwester sitzt. Das Foto der Mutter ist aus dem Jahr 1922. Sie sitzt neben ihrem jüngeren Bruder auf einer Bank im Garten ihrer Großmutter. Auf dem Kinderfoto der Künstlerin aus dem Jahr 1956 (das auch als Vorlage für den Bildraum dient) steht sie auf der Mauer einer Strandpromenade neben ihrem Vater, der da schon 65 Jahre alt ist. Auf einem ganz ähnlichen Foto, das nur Sekunden später aufgenommen wurde, wird dort ihre Mutter stehen. Dahinter unsichtbar ist das Meer.
„1966 – 2005 – 1970 / 1962 – 1979 – 1960 / 1940 – 1940 / 1938 – 1937 „ (140 x 110 cm Acryl/ Leinwand, 2009)
Die erste Reihe ist die Reihe der toten Kinder. In der Mitte die Auftraggeberin, hier als etwa zwölfjährige, mit ihrem zu früh geborenen Sohn, der nur mehr wenige Tage zu leben hat. Leicht dahinter links ihr früh verstorbener Halbbruder mit ihrer Mutter als Junges Mädchen. Rechts der gemeinsame Sohn ihrer Eltern, ihr kleiner Bruder, der nicht älter als eineinhalb Jahre wird. Der Vater, noch kaum erwachsen, hält ihn im Arm. Im Hintergrund stehen die Großeltern als junge Paare, einander zugewandt.
Kommentar der Auftraggeberin
Da hängt es, mein Familienbild, auf dem nun endlich alle Familienmitglieder versammelt sind. Mutter, Vater, Bruder, Halbbruder, mein Sohn, die Großeltern väter-und mütterlicherseits und ich. Eigentlich hätten wir eine nette, feine Großfamilie sein können, wenn wir alle zur selben Zeit am selben Ort gelebt hätten. Doch oft, bevor Familie am Entstehen war, gingen Beziehungen auseinander, Menschen ihre eigenen Wege, kam der Tod durch die Hintertür.
Aber jetzt, jetzt sehe ich sie alle, mit eigenen Augen. Meine Eltern, wie sie noch jung waren, mich selbst als Kind und doch einen Schritt vor den Eltern stehend, sogar eine Spur größer als sie. Alles ist relativ, wird mir bewusst. Im Hintergrund und deutlich kleiner, die Großeltern, so, wie ich sie nur von Fotografien kannte. Sie wenden sich einander zu als wäre es für die Dauer eines ganzen Lebens gewesen.
Zehn Menschen begegne ich im Bild, obwohl sechs davon bereits gestorben sind. Aber hier, da stehen sie alle und fangen wieder zu leben an. Ich mag es, wenn ich in die lächelnden Augen meiner Eltern sehe und in mein zufriedenes Gesicht, obwohl die Kinder in unseren Armen schon verstorben sind.
Aber auf dem Bild sind sie bei uns, sind wir alle wieder vereint, von Bergen beschützt und in überirdisches Licht gebettet. Jetzt kann ich ruhig werden.
„1977 – 2008 – 2009 – 2008 – 1975 “ (80 x 60 cm, Acryl/ Leinwand, 2008)
Eine Familie, die auf einem Heuhaufen sitzt. Rechts außen der Vater ungefähr fünf Jahre alt, links außen die Mutter als ungefähr sechsjährige, ihre Söhne zwischen ihnen. Ganz vorne der jüngste in strahlender Laune. Für die Mutter wurden zwei Kinderfotos verwendet: als Prinzessin mit Krone auf einem Faschingsfest und ein zweites nachdenklich im Faltenrock auf einem Familienausflug.
Für den Vater wurde ein Foto genommen, wo er auf dem Schoß seiner Mutter sitzt. Die drei Söhne in der Jetztzeit albern im Wohnzimmer herum, in blütenweißen Hemden und schwarzen Hosen.
„1940 – 1940 – 1964“ (60 x 50 cm Digital Print/ Leinwand)
Tochter (rechts) und Mutter (links), gleichaltrig mit etwa neun Jahre, in der Mitte deren Mutter bzw. Großmutter. Beide Mädchen berühren sie leicht. Sie wird früh sterben und ihre Enkelin nicht kennen. Grundlage war ein Familienfoto der Mutter mit allen Geschwistern und beiden Eltern. An den Uniformen und Zöpfen der Mädchen erkennt man die 40iger Jahre. Auf dem Kinderfoto der Tochter lehnt sie in ihrem schönsten Kleid am Zaun. Bildraum ist der elterliche Hof mit dem Brunnen, auf dem die Großmutter sitzt.
„1956 – 1960“ (70 x 90 cm Acryl/ Leinwand, 2012)
Ein Ehepaar, hier als Kinder, er ist vielleicht ein kleines bisschen jünger. Das Mädchen schaut forschend etwas an, das außerhalb des Kinderfotos liegt, während sie von ihrem Vater getragen wird. Der kleine Junge geht selbstvergessen auf einem geschwungenen Kiesweg durch die Brauerei seines Heimatdorfes, wo sein Vater arbeitet. Hier sind sie auf einer Mole in Norditalien, die sie beide zu unterschiedlichen Zeiten gekannt haben.
„2009 – 1970“ (Digital Print)
Sohn und sein Vater, beide im Alter von ungefähr neun Jahren. Für den Vater standen zwei Fotos von seiner Firmung zur Verfügung, eines vor dem Haus und eines auf dem Feld. Der Sohn ist zu Hause fotografiert worden. Das Feld ist der Bildraum.
Das Portrait „Selbdritt“
„Wie sieht das aus, wenn ein und dieselbe Person zu ihrem Selbst aus verschiedenen Zeiten in Kontakt tritt? Das Portrait Selbdritt ist das Gruppenbild einer Einzelperson und ist aus der Idee der Zeitverschiebung in den Familienportraits entstanden. Auch hier sind Kinder-, Jugend- und Erwachsenenfotos Vorlage für einen neuen optischen Zusammenhang im Bild.“
„Mein selbdritt“ / 1966 – 2009 – 1959 (digital print/canvas, 2015)
Das Foto der Figur links zeigt mich als 14 jährige mit einer Freundin in einer Wiese liegend. In der Mitte döse ich unter einem Moskitonetz in einem Zelt, völlig ermattet in der nachmittäglichen Hitze. Rechts knie ich auf dem Foto als vierjährige im Pyjama und erkläre meinem Cousin meine Puppen. Das Zelt mit dem Moskitonetz bildet den gemeinsamen Raum..
„Meine Mutter selbdritt“/1944-1936-1925 (90 x 65 cm, Digital Print/ Leinwand, 2014)
Drei Fotos sind die Grundlage dieses Portraits meiner Mutter: Auf dem erste sitzt sie mit ihrer Familie an einem Gartentisch. Das zweite entstand anlässlich eines Ausfluges zu einem See, der auch den gemeinsamen Raum bildet. Auf dem Kinderfoto steht sie vor einem Strauch im Garten. Es ist eines der ganz wenigen Kinderbilder auf denen sie lacht.
„Meine Mutter selbdritt“ /1937- 1965-1922 (90 x 65 cm, Digital Print/ Leinwand, 2014)
Das erste Foto zeigt sie mit ihrem Vater beim Pferderennen in der Wiener Freudenau, während sie ihre Wettscheine studieren. Das zweite ist ein Gruppenfoto anlässlich der Firmung ihres Neffen. Auf dem dritten Foto steht sie mit ihrem kleinen Bruder im Garten ihrer Kindheit, der hier auch den Hintergrund bildet.
„Meine Mutter“/ 1921-1938 (90 x 65 cm Digital Print/ Leinwand, 2014)
Das Kinderbild kommt aus einer Szene im Sandkasten mit ihren Spielkameraden. Auf dem Erwachsenenfoto hat sie sich gebückt, um den Kopf eines weißen Pferdes zu tätscheln. Den Hintergrund bildet ein Ausflugsort ihrer Kindheit in Mähren.
Ursula Pühringer ist in Wien aufgewachsen und studierte an der Wiener Akademie der Bildenden Künste. Wesentlichen Einfluss auf ihre künstlerische Arbeit haben ihre zahlreichen Auslandsaufenthalte in Frankreich, Indien und Amerika. Auf der Suche nach Medien der Leichtigkeit und Durchlässigkeit gelangte sie schließlich zum Zeichnen am Computer, ihrer heute bevorzugten Arbeitsmethode.
Ihre eigene verzerrte Familienperspektive und ein zerdehntes Zeitgefühl, die sich aus dem ungewöhnlich großen Altersunterschied ihrer Eltern ergaben, führten schließlich zur Arbeit an optischen Lösungen für besondere Gruppen, nämlich für Familien und Beziehungen in Portraits.
1952 geboren in Wien
1975 Studium an der Akademie der Bildenden Künste, Wien
1980 Diplom
Arbeitsaufenthalte in Paris, NewYork, Indien
Lebt und arbeitet in Wien
Ausstellungen (Beteiligungen):
1992 Galerie V&V, Wien („Walking Gallery“)
1995 Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz („Ja, sie ist schwarz“)
2001 Sohottakring
2003 Kaiserschnitt light (WUK)
2004 Galerie Himmelpforte, Wien (“Gebogen wie die Neumondsichel...
Blumen - Facetten eines Motives”)
Galerie Himmelpforte (“Schön still”)
2005 Palazzo Art Gallery, Madras, India (“Five Woman”)
2007 Künstlerhaus Klagenfurt,
2009 Künstlerhaus Klagenfurt
2009 Galerie Schikoronja, Rosegg,”More and More of Less and Less”
2010 Beteiligung an den Malerwochen Bleiburg
Einzel:
1999 Galerie Art & Weise, Wien
2000 Sudhaus, Bleiburg
2003 Black Dragon Society, Wien
2004 Galerie M, Klagenfurt
2005 Praxis Friessner
2007 Schachenreiter, Graz
2012 OEBB Räume, Wien
Kontaktaufnahme:
Über E-Mail wird auf Wunsch die Preisliste übermittelt und ein Ateliertermin für ein persönliches Gespräch vereinbart. Dazu sind möglichst viele Fotos der Personen mitzubringen, die man portraitiert haben möchte. Bei einer gemeinsamen Vorauswahl der Bilder wird die geeignete Altersgruppe eingegrenzt und die Anzahl der Personen auf dem Portrait festgelegt.
Arbeitsprozess der Künstlerin:
Es wird ein neuer Bildraum für die gewünschten Personen entworfen, eine gemeinsame Situation jenseits vom tatsächlichen Geschehen und Zeitablauf, die einen frischen emotionalen Zugang ermöglichen soll.
Die veränderte Sichtweise überrascht und kann schockieren. Sie kann aber auch die ursprüngliche Zuneigung zu allzu vertrauten Menschen wieder spürbar machen.
Technische Einzelheiten:
Preis, Anzahlungsmodalitäten und Lieferzeit werden beim persönlichen Treffen schriftlich vereinbart, ebenso die gewünschte Technik und das Bildformat
– digitale Version, auf Papier, kaschiert auf eine Aluminium- oder Plexiglasplatte bis zu einem Format von ca. 40 cmx 60 cm oder auf Leinwand ab einem Format von ca. 50 cm x 70 cm
– gemalte Version
in Acryl auf Leinwand in allen Formaten
Das Hauptaugenmerk dieser Ausstellung liegt auf der – ausschließlich 2007 – entstandenen Serie „Global Past“ der Wiener Künstlerin Ursula Pühringer. Doch zuvor möchte ich das frühere Schaffen der Künstlerin kurz beleuchten.
Nach dem Studium an der Wiener Akademie der Bildenden Künste ging Pühringer eine Zeit lang nach Paris, wo sie sich vorerst der Skulptur widmete. Dort entstanden lebensgroße menschliche Figuren aus kleinmaschigem Draht. Bereits zum damaligen Zeitpunkt ging es der Künstlerin um Transparenz und Räumlichkeit der Dinge. Bei ihren Skulpturen ist der Raum durch die Formgebung des Drahtes eindeutig gegeben und doch scheinen die Grenzen aufgehoben, das menschliche Auge blickt durch die Skulpturen hindurch und kann den Körper gleichzeitig von außen und innen, von vorne und von hinten erfassen, wodurch die soeben genannte Räumlichkeit wieder aufgehoben wird und sich in Transparenz auflöst.
Woher erhält Ursula Pühringer nun ihre Motive? Sie findet diese im Alltäglichen, in kurzlebigen Augenblicken, vor allem aber inspirieren sie ihre Auslandsaufenthalte zu neuen Serien. So entstand in New York die Serie „Mythology on the street“. Diese Schattenbilder entstanden durch den Blick ihres Fensters im 27. Stock auf die Straße, wo die Schatten der Passanten wesentlich dominanter als die Personen selbst wurden und ein scheinbares Eigenleben zu entwickeln begannen.
„Brothers and Sisters“, eine weitere Serie aus der Zeit in New York, entstammt Fotografien von Gorillas aus dem dortigen Zoo. Das Gehege war so konzipiert, dass die Besucher durch einen Verbindungsgang in die Mitte des Geheges, in eine Glaskuppel, gelangen konnten. Die Betrachterrolle wurde dadurch umgekehrt: Die Gorillas kamen heran, um die „ausgestellten“ menschlichen Besucher zu begutachten. Durch die geringe Distanz zu den Menschenaffen entstand ein enormes Gefühl der Nähe zu diesen, wobei das familiäre Gefühl durch den Titel dieser Serie deutlich gemacht wird.
Immer wieder reist die Künstlerin jedoch nach Indien, wo vor allem die dortige Farbigkeit und das Licht große Faszination auf sie ausüben. Auch hier orientiert sich die Pühringer am Alltäglichen. Einige Werke aus der dort entstandenen Serie „Lost in Sarees“ sehen Sie im hintersten Zimmer der Praxis. Eine starke Farbigkeit geht von diesen Bildern aus, Räumlichkeit wird durch die in sich zerfließenden Farbübergänge des Hintergrundes geschaffen. Figuration steht Abstraktion gegenüber. Die Körper der Frauen sind in sich versunken, ein meditatives Nach-innen-Kehren wird deutlich gemacht, der farbenfrohe Stoff der Saris lenkt den Blick des Betrachters auf sich und lässt uns gleichsam in diesen Farben verlieren.
Auf der Suche nach Ausdrucksmöglichkeiten der Durchlässigkeit gelangte Pühringer zum Zeichnen am Computer. Ausgangsobjekte sind entweder selbstgeschossene Fotos – z. B. die Schattenbilder – oder Ahnenbilder ihrer Familie. Im nächsten Schritt werden die Fotografien digitalisiert und so in einen mediatisierten Zwischenzustand gebracht, um danach mit dem Computerprogramm „Macromedia Freehand“ neu aufgebaut und abstrahiert zu werden. Das Zeichnen am Computer erfolgt nicht, wie vielleicht vermutet, in Pixel-Malerei, sondern das Programm funktioniert mit geschlossenen Flächen, die durch Vektoren konstruiert werden. Innerhalb dieser Flächen ist die Farbbestimmung völlig frei und präzise auswählbar. Diese Flächen werden nun schrittweise übereinander gelegt, was zu zig übereinanderliegenden Ebenen in einem Bild führen kann. Da eine Ausbesserung einer früheren Fläche nur schwer möglich ist, erfordert die Gesamtkomposition ein langsames Herantasten, ein genaues vorangegangenes Konzept und viel Denkarbeit der Künstlerin. Das Foto dient dabei nur als Motivvorlage, die Künstlerin verändert Formen sowie die gesamte Farbpalette und trotz des äußerst narrativen Aspektes der Werke ist die formale, technische Umsetzung streng abstrakt. Die fertigen Werke werden anhand verschiedenformatiger Digitaldrucke wieder greifbar gemacht und sind nunmehr – wie mit dem Pinsel gemalte Werke – entweder auf der Leinwand oder auf mattem Foto-Papier für den Betrachter zugänglich.
Neben diesem computerisierten Verfahren malt die Künstlerin mit Acrylfarben konventionell auf Leinwand. Eine wechselseitige Beeinflussung zwischen diesen beiden Verfahren findet jedoch laufend statt. Am Werk „1895“ – zu sehen ist die Großmutter der Künstlerin – wird diese Beeinflussung sehr stark deutlich. Das Bild ist gemalt und doch scheinen die Farbübergänge sowie die gesamte Konzeption der Computertechnik stark angeglichen.
Inhaltlich bezieht sich die Serie „Global Past“ auf das Porträt. Doch handelt es sich dabei nicht um herkömmliche Porträtmalerei. Bei näherer Betrachtung wird klar, dass die dargestellten Personen verschiedensten Zeitebenen entstammen. So stellt das Werk mit dem Titel 1985. 1894. die Künstlerin und ihre Großmutter, beide im zirka gleichen Alter, dar, die wie Schwestern beieinander stehen. Das längliche Bild im Vorraum mit den drei Frauenköpfen zeigt die Halbschwester der Künstlerin 1943, dann Ursula Pühringer selbst 1980 und abschließend wiederum die Großmutter 1894. Die Ahnen werden so in einen völlig neuen Bezug gestellt, die Generationen verlassen die zeitliche Chronologie und geben dem Rezipienten zu verstehen, dass man vielleicht auch selbst einen neuen Zugang zu seinen Vorfahren finden kann und eine noch nie dagewesene Nähe zu den Ahnen möglich sei.
Auffallend ist in dieser Serie wiederum das Experiment mit der Durchsichtigkeit. Die Bilder und Figuren wirken durchscheinend, der lasierende Effekt rückt die Werke in eine andere Zeit sowie in eine andere (verschwindende) Realitätsebene.
Besonders spannend wirkt auf mich die Komposition der beiden Männer im Werk mit dem Titel 1916. 1981. Hier ist der Vater Pühringers in Uniform aus dem Ersten Weltkrieg zu sehen und daneben sitzt der Ehemann der Künstlerin. Während der Ehemann aus dem Bild heraus in unsere Zeit hineinsieht, verliert sich der Blick des Vaters in der Ferne, scheinbar wissend, dass er einer anderen – vergangen – Generation angehört.
Johanna Aufreiter
November 2007
Die Geschichte der Zivilsation ist eine Geschichte der eskalierenden Identitätskrise. Alle materiellen Errungenschaften hatten und haben einen fürchterlichen Preis: Wir halten uns selbst kaum mehr aus. Alles ist nach außen projiziert, im Inneren herrscht Verzweiflung.
Wir können leben, wir können das Leben besser bezahlen als früher, aber den psychischen Preis nur noch mit Psychopharmaka. Es ist, als ob unsere materiellen Vorräte die Existenzangst nur multipliziert hätten. Was, wenn sie verloren gehen? Was bleibt dann – außer dem der totalen Ungewissheit ausgelieferten Ich? Kann es, kann ICH! dann überhaupt sein? Wie soll das geschehen? So fragte Maria den Erzengel über die Vaterschaft Gottes ihres Kindes, das wieder Gott werden sollte.
Wir sind dieses Kind. Und rund um uns sind Milliarden Kinder, sie spielen Erwachsene, sie spielen Eltern, sie spielen Menschen, sie spielen Leben, sie spielen Sterben. War jemals ein Zustand der Nicht-Angst? Ist uns die Angst nicht an-und eingeboren schon im Mutterleib? Sind wir Gott der Angst?
Wie ein Traum, der umso rascher verschwindet, je genauer man sich an ihn erinnern will, muss da ein Zustand gewesen sein, in dem wir keine Angst hatten. Denn nichts kann ohne sein Gegenteil sein. Es war das Kind. Es war das Kind, das jetzt das Kind in uns geworden ist, es ist nicht tot, nur verwandelt in ein Jetzt.
Wir alle sind ewige Kinder. Angst ? Oh ja, aber als Herrscherin hat sie sich noch nicht etabliert. Erinnern wir uns daran. Erinnern wir uns, wer uns Angst gelehrt hat. Die Eltern, die Lehrer, die Realität des Untertanen, der nur Untertanen zulässt. Aber auch sie waren und sind Kinder, gleichaltrige Kinder im Jetzt.
Ursula Pühringer holt sie als solche zurück auf die Leinwand, blass und vergänglich wie Träume, umso beharrlicher in ihrer Forderung, erkannt zu werden. Wir alle sind gemeinsam die spielende Kinderfamilie. Wir werden niemals wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wir sind aus einem träumenden Nichts gemacht, das nur vergehen kann, aber das dafür auf ewig.
Wolfgang Rosar